Übungsfirmen in Österreich

Schüler/innen fragen oft „wozu lerne ich dies oder jenes“. Mitarbeiter/innen von Übungsfirmen wissen warum. Die sofortige Umsetzung der Inhalte aus Theoriefächern wird durch die Arbeit in der Übungsfirma gefestigt, neues Wissen durch Lernhandeln hinzugefügt.

Die Übungsfirma ist das Modell eines realen Unternehmens und aus den österreichischen berufsbildenden Schulen und der Erwachsenenbildung nicht mehr wegzudenken.

Vor mehr als 30 Jahren wurde dieser Praxisteil der kaufmännischen Ausbildung für die berufsbildenden Schulen wiederentdeckt und bereits 1993/1994 als verpflichtender Unterricht in den Lehrplan der Handelsakademien und Handelsschulen eingeführt.

  • Übungsfirmen sind Handels- oder Dienstleistungsbetriebe. Allerdings sind Waren und Dienstleistungen sowie das für die Zahlung erforderliche Geld nicht real vorhanden. In unserer heutigen virtuellen Welt fällt das gar nicht mehr auf.
  • In einer Übungsfirma fallen alle der Praxis entsprechenden branchenspezifischen Geschäftsfälle an. Die damit verbundenen Arbeiten sind unter Berücksichtigung der kaufmännischen Usancen und der rechtlichen Voraussetzungen durchzuführen.
  • Übungsfirmen zahlen Steuern und Abgaben und erledigen alle notwendigen Behördenwege online.
  • Übungsfirmen handeln innerhalb Österreichs und mit dem Ausland. Es werden Fremdsprachen trainiert und man lernt die Wirtschaftskultur der Geschäftspartner kennen. Weltweit sind ca. 7000 Übungsfirmen miteinander vernetzt. (https://penworldwide.org/)
  • In Übungsfirmen wird anders gelernt: aktiv und motiviert, eigenverantwortlich und selbstständig. Lehrerinnen und Lehrer ‚unterrichten’ nicht im klassischen Sinn, sie betreuen und coachen.
  • Übungsfirmen verbinden theoretisches und praktisches Lernen.
  • Der Erwerb von Schlüsselqualifikationen (z.B. Teamfähigkeit, vernetztes Denken, Sprachkompetenz) befähigt die Schüler/innen zu beruflicher Mobilität und Flexibilität in der internationalen Arbeits- und Berufswelt.
  • Übungsfirma ist Teil der Entrepreneurship Education.
  • In der Übungsfirma wird Theoriewissen in die Praxis umgesetzt. Noch praxisnäher arbeitet man, wenn man auf das Knowhow eines realen Partnerbetriebes zurückgreifen kann.

Die Förderung des unternehmerischen Denkens, das Erkennen von Wirtschaftszusammenhängen, der Erwerb von Schlüsselqualifikationen und die Anwendung von Fremdsprachen sind – auf Basis der modernen Informationstechnologien – pädagogische Schwerpunkte in der Übungsfirma.

Durch die Änderung der traditionellen Rollen der Lehrer/innen zum Betreuer oder Coach und die der Schüler/innen zu Mitarbeiter/innen der Firma wird das gemeinsame Lernen mehr als ein Prozess der Spaß machen kann erlebbar gemacht.

Schüler/innen, die meist ein Jahr lang in der Übungsfirma arbeiten, haben nationale und internationale Geschäftskontakte, trainieren ihre Fremdsprachenkenntnisse und lernen so auch die Wirtschaftskulturen anderer Länder kennen. Nachdem Übungsfirmen nicht jedes Jahr neu gegründet werden, bleiben Geschäftskontakte zwischen den Übungsfirmen, aber mit jeweils wechselnden Mitarbeiter/innen, oft jahrzehntelang bestehen.

Durch die Einführung der Übungsfirma in die Ausbildung von Schüler/innen wurde sowohl in didaktischer als auch in methodischer Hinsicht ein Meilenstein im System der berufsbildenden Schulen Österreichs gesetzt:

1993 erstmals im nationalen Lehrplan für Handelsschulen und 1994 für die Handelsakademien implementiert, in den darauffolgenden Lehrplänen adaptiert und aktualisiert (z.B. Übungsfirmenkonnex aller Unterrichtsgegenstände).

In der Folge wurden an anderen Berufsbildenden Schulen, mehrheitlich als Freifach, Übungsfirmen gegründet. Im universitären Bereich ist die Übungsfirma fester Bestandteil der Ausbildung geworden (für Lehrer/innen für wirtschaftliche Fächer).

In anderen Ländern blickt man neidisch nach Österreich (in Relation zu seiner Größe ist Österreich eine Weltmacht am Übungsfirmenmarkt) und das österreichische Modell der Übungsfirma wurde in viele Länder übernommen.

Mit der Lern- und Lehrmethode Übungsfirma wurden die Forderungen der Wirtschaft nach mehr Praxisorientierung in der kaufmännischen Ausbildung und nach Einbindung der neuesten Technologien in den Unterricht weitestgehend erfüllt.

Wirtschaft und Schule erfährt hier eine Symbiose, die seinesgleichen sucht: Schüler/innen arbeiten in der Firma, sie sind für sie verantwortlich, lernen mit Geschäftspartnern, Kolleg/innen und Vorgesetzten umzugehen und erleben auch Höhen und Tiefen des kaufmännischen Lebens.

Viele Firmen wissen das und setzen auf Absolvent/innen der Übungsfirmen bei ihrer Personalsuche, und investieren selbst: Zahlreiche Firmen unterstützen die Übungsfirmen in Österreich, mit Partnerschaftsverträgen, Know-how und Mentoring.

Absolvent/innen einer Übungsfirma finden sich beim Start ins Berufsleben schnell zurecht. Die Arbeit in der Übungsfirma schult aber auch unternehmerisches Denken und unterstützt die Gründung eigener Unternehmen. Gleichzeitig reduziert sie das Unternehmerrisiko.

Gut ausgebildete, innovativ und kreativ agierende Unternehmer/innen werden sich mit ihren Unternehmen erfolgreicher in einer Marktwirtschaft behaupten können, die durch rasche Änderungen in Gesellschaft und Technologie gekennzeichnet ist.